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Phantastereien über Gershwin
Das etwas andere Gershwin-Programm mit Ines Krautwurst (voc) und Stephan König (p)

Foto Koenig - Krautwurst

REZENSION v. 09.09.98, Leipziger Rundschau
Gershwin in der Kuppelhalle
Am 26. September wäre George - eigentlich Jacob - Gershwin 100 Jahre alt geworden. Ines Krautwurst und Stephan König spielten und sangen in der Kuppelhalle der Dresdner Bank nicht einfach Gershwin, sondern verarbeiteten ihn improvisierend, liebevoll, witzig und kongenial.
Eine unglaubliche Mixtur: Gershwin vom Pianisten sozusagen aus dem Stand plötzlich legiert mit europäischer Klassik. Ein zartes Stück Barock. Bach ? Die Sängerin lauscht mit ihrem bezwingendem Lächeln (im Profil nimmt sie sich aus wie eine schalkhafte ägyptische Göttin), greift die kleine Melodie im Scat-Gesang auf... Später funkelt zwischen Gershwin (unter vielem anderen die "Rhapsodie in Blue" und "I got plenty o' nuthin'") flüchtig ein Stück Beethoven auf, Chopin, Tschaikowski, ausgiebig Johann Strauß, ein wenig Debussy; er wirft ihr improvisierend ein Stück Melodie als Ball zu, sie fängt ihn und setzt Klassik souverän in ekstatischen schwarzen Jazz um.
Sie meistert alle Register zwischen golden strahlendem und verhaltenem Liedgesang und den Tönen des Jazz: samtig-heiser, brunnentief, rauchig, schleifend, Scat-Gesang in atemberaubendem Tempo, zänkische Schreie, Verhauchen, und sie ist mimisch in der Bewegung (in angedeutetem Tanz, im Spiel mit dem Mikrofon wandlungsreich wie ihre unwahrscheinliche Stimme.
Und Stephan König: virtuos, rasant, sprühend mit blitzschnell wechselnden Einfällen, mit einem herrlichen, nie harten Anschlag. Federnd, huschend, schlagend, perlend. Ein geniales Paar, einander ebenbürtig in Begabung, Können und rückhaltlosem Einsatz.
Das Publikum, verhext entzückt und amüsiert, brach ab und zu mittendrin in wildes Klatschen und Beifallsschreie aus und erkämpfte sich am Ende drei Zugaben. (...)
C.A.


REZENSION v. 26.04.93, Leipziger Volkszeitung
Dialoge ohne Worte - Königlicher Gershwin-Abend mit Ines Krautwurst
Am Flügel sitzt scheinbar unauffällig Stephan König. Mit frischfeurigem Rot-Ton im Haar und beigen Seidenoverall auf dem Körper steht neben ihm Ines Krautwurst auf der Bühne im HdV. Ein leicht verderbtes Lächeln umspielt ihren Mund - sie kann es sichleisten. "Phantastereien über Gershwin" haben die Musiker ihr drittes gemeinsames Projekt überschrieben.
Zunächst Klangexperimente- mit Claves und Stimme der Krautwurst läuten eigenartige Töne den Abend ein. Urlaute könnten es sein oder Delphinrufe - oder Ursprünge der Musik. Dann wischt König über die Klaviatur und das Gershwin-Repertoire. Nahtloser Übergang, Ines Krautwurst interpretriert "It ain't necessarily so".
Zunächst lehnt sie sich an Gershwins Vorgabe, um dann über das Thema zu phantasieren. Ihre Stimme jagt in ungeahnte Höhen und versuchte Tiefen. Sie jazzt, swingt, zischelt, tirilliert; ein heiseres Summen schwillt zum kraftvollen Ton. Gänsehaut ist garantiert. Das Lächeln wird zum Grienen, zum erfrischenden Lachen. Von Anfang an ist die Nähe zu Publikum da. Zwischendurch ölt sie ihre Stimme mit einem Schluck - nicht Whisky sondern Fencheltee mit Honig.
Ohne Spaß keine Phantastereien. Die Gershwin-Hommage wird nicht bierernst. Klavier und Krautwurst-Stimme führen erfrischende Dialoge ohne Worte. Das Gespräch entschwindet in der Zeit vor Gershwin verweilt beim Wiener Walzer und führt zurück bis zum Jazzrock der Gegenwart.
Die Liebe zum Musical dominiert die Premiere. Zur geschulten Stimme gesellt sich erotische Körpersprache und fesselnde Mimik. Für den in einem solchen Programm unvermeidbaren Klassiker "Summertime" besitzt die Krautwurst Charisma genug, um ihm ihre persönliche Note zu geben. Nach gut einstündiger Spielzeit tobt Applaus, besonders aus der Ecke, in der, junge Männer gehäuft sitzen.
Dorit Kowitz

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REZENSION v. 22.04.08, Leipziger Volkszeitung
Jonglage mit Gershwin
"Amerikanischen Jazz" sollte es geben am Sonntagabend in der Schaubühne Lindenfels. Von Pat Metheny. Als kammermusikalische Einstimmung zum Film "Ray" über die Rhythm-and-Blues-Legende Ray Charles. Von den angekündigten Künstlern steht aber nur die Sängerin Ines-Agnes Krautwurst auf der Bühne. Die Combo aus Flöte, Klavier, Bass und Schlagzeug vertritt der Pianist und Improvisations-Künstler Stephan König am Flügel. Statt Metheny gibt es Gershwin-Melodien, in "Phantastereien" versponnen, wie der Titel auf dem Programmzettel verspricht.
"Dialoge ohne Worte" ist dort als Untertitel des einstündigen Konzerts notiert. Das stimmt nicht ganz, denn Krautwurst nutzt nicht nur melodiöse sondern auch Text-Zitate, beispielsweise aus Porgy and Bess. In wild grün-gelb gestreiftem Gewand steht sie am Flügel, bemüht sich, ihr Englisch vom sächsischen Einschlag zu befreien. Immer gelingt ihr das nicht.
Dafür ist Krautwursts stimmakrobatisches Können umso eindrücklicher. Die Trompete hat sie genauso drauf wie die chromatisch ansteigende Sirene. Innerhalb von wenigen Minuten wandelt sich die Sängerin von der Gospel-Diva zum sanften jugendlich-schüchternen Mädchen und weiter in eine flüsternd Geschichten erzählende Mutter; singt sich in koloratursopranistische Höhen hinauf. Zuweilen scheint sie sich regelrecht leer zu singen.
Krautwursts freie Hand tanzt mit ihrer Stimme um die Wette, spiegelt die Klangbewegungen wider, fügt der Stimmgewalt eine spezielle, von ihren großen Augen dominierte Komik hinzu. Selbst Königs pianistische Improvisationsausflüge finden ihren Widerhall in Krautwursts Mimik. Da wird deutlich, dass der Untertitel "Dialog ohne Worte" durchaus seine Berechtigung hat. Denn musikalisch kommunizieren, dialogisieren Pianist und Sängerin nur durch Blicke, Atemimpulse, vor allem aber durch gegenseitiges Zuhören.
König jongliert mit Gershwins Themen. Keck, liebevoll und geistreich mischt er Melodie-Zitate populärer Klassiker bei, lächelt seiner Kollegin zu, gemeinsam grinsen sie über gelungene musikalische Pointen. Zusammen stellen sie unter Beweis, wie kunstvoll man mit populären Melodien den Saal rocken kann: Aus den tiefen Tasten hackt König Obertöne hervor, dazu schnalzt Krautwurst den Beat, wechselt in eine Art Walgesang, lässt König schließlich wieder allein, lauscht seinem behutsamem Klimpern am oberen Ende der Klaviatur. Gershwin habe immer versucht, populäre Musik mit den Mitteln der so genannten E-Musik zu verarbeiten, erklärt Krautwurst. Bei aller Freude am Improvisieren bleiben Sängerin und Pianist dieser Maxime treu. Eine gelungene Einstimmung auf die Oscar-prämierte Hommage an Ray Charles.
Susan Weitershagen